Wir werden unzulänglich geboren und benötigen Hilfe, um zu überleben. Aber nicht nur biologisch, sondern auch emotional und seelisch.
Mensch bedeutet also ganz real ein sich entwickelndes Wesen zu sein. Vieles ist von Natur aus in uns Menschen angelegt und will vor allem erkannt, verstanden und geschützt sein, um sich entwickeln zu können. Einen fertigen Menschen gibt es nicht. Die Welt sieht für einen Fünfjährigen anders aus als für einen 20-, 40- oder 80-jährigen Menschen.
Achtsamkeit, aus meiner professionellen Sicht, beinhaltet im Grunde wahr zu nehmen was gerade ist (= Wahrnehmung von Leib-Seele-Verstand + Geist).
Je achtsamer ich für mich diese Bereiche in mir wahrzunehmen in der Lage bin, desto freier, (macht-) begrenzter und achtsamer kann ich mit mir und meiner Umwelt umgehen. Das bedeutet sicher nicht immer gut gelaunt, voller Harmonie und so weiter zu sein. Es bedeutet einfach anzuerkennen was gerade ist, also was ich in diesem Moment spüre, fühle, denke, sage usw. und was um mich herum geschieht.
Dies in innerer Ruhe wahrnehmen zu lernen und nicht einem „automatisch re-aktiven Impuls“ nachzugeben oder mich/mein Handeln unbewusst beeinflussen zu lassen, ist Achtsamkeit. Daraus entspringt persönliches handeln, weil ICH erst wahrnehme was ist und dann eigenverantwortlich entscheide, was ich tue.
Doch das bisher beschriebene ist nur ein kleiner Teil, von dem wozu wirkliche Achtsamkeit in der Lage ist zu bewirken. Dazu komme ich aber später.
Um diese Achtsamkeit üben zu können ist es ratsam etwas über die Zusammenhänge wirklicher Achtsamkeit zu wissen.
Darauf zu achten was gerade in mir und um mich geschieht ist mit etwas Übung verbunden. Je mehr Sinne wir benutzen, um uns und unsere Umwelt wahrzunehmen, desto achtsamer können wir werden.
Unsere archaischen Vorfahren, die vor über 10000 Jahren durch Wälder und Steppen streiften verfügten über hervorragende geistige Fähigkeiten und eine hochgradig versierte Wahrnehmung. Das war notwendig, um als Jäger und Sammler in einer Umwelt voller Gefahren zu überleben. Sie hörten das leiseste Geräusch im Gras, weil es sich um eine Schlange handeln konnte. Sie nahmen Gefahren instinktiv wahr und konnten sich früher entsprechend danach ausrichten. Sie spürten zum Beispiel, wie die Tiere, innere Unruhe bei aufkommendem Unwetter. Wir wissen heute, dass seit dieser Zeit das durchschnittliche menschliche Gehirn geschrumpft ist.
Ob das Leben heutzutage in dieser fiktiven Sicherheit auf Kosten dieser wirklichen Achtsamkeit geht weiß ich nicht. Was ich aber weiß ist, das wirkliche Achtsamkeit einen Organismus befrieden oder sogar heilen kann.
Gerd Weiland